Die Zahl regelmäßig geführter Tagebücher muss noch größer werden
Menschenswetter-Daten auf Kongress der Hochdruckliga vorgestellt
Unter dem Titel „Einfluss des Wetters auf Patienten mit Hypertonie und Angina pectoris“ wurden erste Ergebnisse der Auswertung von Menschenswetter-Tagebüchern in Form eines wissenschaftlichen Posters auf dem 37. Wissenschaftliche Kongress der Deutschen Hochdruckliga e.V. DHL® „Hypertonie und Prävention" vom 12. bis 14. Dezember 2013 in Münster/Westfalen präsentiert.
Wenn die Belastung für Herz-Kreislauf-Patienten durch das Wetter eine Angina-pectoris-Attacke provoziert oder gar einen Herzinfarkt auslöst, werden diese „kardiovaskulären Ereignisse“ registriert und stehen für eine medizinmeteorologische Analyse zur Verfügung. Daher kennen Ärzte die Risikowetterlagen recht genau. Doch die nicht-katastrophalen Gesundheitsbeeinträchtigungen, Symptomeskalationen und erduldeten Ängsten von Herzpatienten bleiben für die Medizinstatistik verborgen. Die Patienten-Tagebücher auf Menschenswetter geben Einblick in die wetterbedingte Schwankung der Gesundheitsbelastung. Ziel der in Münster vorgestellten Analyse ist es, die Tauglichkeit dieser Form der Datenerhebung im Internet zu demonstrieren und Patienten wie auch Ärzte für die Mitarbeit in diesem Projekt zu begeistern.
Unterhalb einer Tagesmitteltemperatur von -2°C häufen sich Infarkte. Ein Temperatursturz um 10°C erhöht das Risiko für den ersten Herzinfarkt um 11%, für einen Re-Infarkt um 26% und für einen tötlichen Infarkt um 11%. Grund dafür ist das durch Kälte ausgelöste Zusammenziehen der Blutgefäße, das den Blutfluss verlangsamt und dadurch einen Sauerstoffmangel am Herzmuskel provoziert. Zudem klagen 72% der Frauen und 46% der Männer nach ihrem Herzinfarkt über extrem belastende Wetterempfindlichkeit. Patienten mit Bypass-Operationen geben noch nach 5 Jahren eine Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität durch Wetterempfindlichkeit an. Temperaturstürze, andauernde Kältereize, Kaltlufteinstrom und stabile Regenwetterlagen mit Wind aber auch sehr schwüles Wetter mit Gewitterneigung belasten Patienten mit Arteriosklerose und koronarer Herzkrankheit (KHK). Die wetterinduzierten Kurzzeitmodulationen der Morbidität beeinträchtigen nicht nur das Wohlbefinden der Patienten. Sie beeinflusst auch Diagnose und Dokumentation des Krankheitsverlaufs, je nachdem, ob der Patient gerade an einem „guten“ oder „schlechten“ Tag untersucht wurde.
Patienten mit Arteriosklerose und KHK (Leitsymptom Angina pectoris) bekommen den Wettereinfluss unmittelbar zu spüren. Wer allein unter Hypertonie leidet, bemerkt dagegen den Anstieg des akuten Infarkt-Risikos aufgrund von Kältereizen kaum. Patienten mit zu hohem Blutdruck fühlen sich eher bei Hitze und Schwüle besonders stark belastet. Das zeigte sich besonders beim Einstrom feuchter Luft jeweils zum Ende der zwei Hitzewellen im Sommer 2013. Dabei stieg die gefühlte Temperatur noch einmal kräftig an, der Thermometerwert änderte sich dagegen kaum.
Bisher wird das Wetter als objektiver Risikofaktor und Einflussfaktor für das subjektive Morbiditätsempfinden der Patienten in Leitlinien und Empfehlungen für Patienten und Ärzte weitgehend ignoriert. Dabei ist das Phänomen Wetterempfindlichkeit den meisten niedergelassenen Ärzten in ihrer Praxis durchaus vertraut. Nur 5% beurteilten spezielle Vorhersagen für wetterempfindliche Patienten als „nicht hilfreich“. Zu erklären ist diese Diskrepanz in erster Linie durch einen Mangel an tagesaktueller qualifizierter Information über die zu erwartende Belastung der Patienten und einer zuverlässigen Dokumentation der individuellen Wetterempfindlichkeit. Die vorgestellten Ergebnisse zeigen, trotz der geringen Zahl an Tagebucheinträgen, dass eine valide Prognose der Morbiditätsentwicklung möglich ist und von den Patienten auch nachgefragt wird.
Bedeutsam sind die Ergebnisse dieser Studie insbesondere für niedergelassene Kardiologen, Internisten und Allgemeinärzte, die Patienten während des chronischen Verlaufs der Erkrankung betreuen. Sie sind oft auf die subjektive Einschätzung des Erkrankungsstatus angewiesen, die durch die Patienten selbst formuliert wird. Dabei können kurzfristig wirksame Trigger wie das Wetter, die empfundene Morbidität massiv beeinflussen, wodurch die Verlässlichkeit der auf die langfristige Entwicklung der Erkrankung zielende Status-Beschreibung leidet. Ärzte, die um die Wetterempfindlichkeit ihrer Patienten wissen, können diesen Parameter bei Diagnose und Therapiemodifikation berücksichtigen.
Für eine präzisere Analyse der Zusammenhänge zwischen Wetter und Morbiditätsempfinden ist eine größere Zahl regelmäßig geführter Tagebücher notwendig. Dieses Manko kann ausgeglichen werden, indem Ärzte ihre Patienten animieren, auf Menschenswetter ein Tagebuch zu führen.
Der Erstautor Holger Westermann erläutert die Studie während der Postersession. Nach der Vorstellung im Gespräch mit dem Coautor Dr. Siegfried Eckert (Fotos IMP Erlangen Nürnberg, Karin Högerl)
Poster zum Download: „Einfluss des Wetters auf Patienten mit Hypertonie und Angina pectoris“
Erstellt am 17. Januar 2014
Zuletzt aktualisiert am 30. Januar 2014

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