Psychische Probleme beeinträchtigen die Lebensqualität, bleiben aber oft unbehandelt

Atemnot provoziert Angst

von Holger Westermann

Die dauerhafte Einschränkung der Atemfunktion bei Menschen mit COPD belastet nicht nur die allgemeine körperliche Verfassung der Betroffenen, sondern auch die Psyche der Patienten. Insbesondere im Verlauf einer Exazerbation erleben sie Furcht und Panik. Bei Fortschreiten der Krankheit häufen sich Selbstzweifel, Schuldgefühle und „End of Life“- Ängste. Eine patientenorientierte Therapie sollte deshalb nicht nur Lunge und Kreislauf, sondern auch die Seele stabilisieren.

Eine zeitgemäße Betreuung von Menschen mit COPD orientiert sich am Krankheitserleben der Patienten und widmet sich deshalb auch den zahlreichen Begleitphänomenen des Lungenleidens mit gebührender Aufmerksamkeit. Die nachhaltigen Veränderungen am Herz-Kreislauf-System, der Muskulatur, dem Skelett sowie des Stoffwechsels werden von den behandelnden Ärzten zuverlässig diagnostiziert und therapiert. Noch zu wenig beachtet werden jedoch die psychischen Belastungen, mit denen die Mehrzahl der Menschen mit COPD leben müssen. Dazu trägt sicherlich auch die Laienbezeichung „Raucherhusten“ bei, denn damit wird unterschwellig ein „selber schuld“ ausgedrückt.

Betroffene trauen sich deshalb oft nicht, ihr psychisches Leiden zu offenbaren und Hilfe einzufordern. So lag bisher der Fokus des ärztlichen Interesses auf der Depressionsforschung. Es erschien plausibel, dass Menschen, die zu depressiver Stimmung neigen, eher zur Zigarette greifen. Deshalb sollten sich unter den COPD-Patienten ein überdurchschnittlich großer Anteil potentieller Depressions-Patienten finden. Zahlreiche Studien bestätigen diese Annahme, konnten aber nicht klären ob die Depressionsbelastung schon vor der Lungenerkrankung bestand oder sich erst in deren Folge entwickelte.

Derzeit rücken die Ängste, insbesondere die zunehmende Angst vor dem sich aus Patientensicht unaufhaltsam und rasch nähernden Lebensende, in den Fokus der Ärzte und Therapeuten. Erkannt wurde, dass sich Atemnot, Angst und Depression im Verlauf einer fortschreitenden COPD im Sinne eines eskalierenden Teufelskreises verselbstständigen können.

Der fortschreitende Verlust der körperlichen Leistungsfähigkeit, reduziert auch den sozialen Aktionsradius. Der erzwungene Rückzug aus dem Alltag führt rasch zur sozialen Isolation, die wiederum Angst und Depression verstärkt. Dadurch sinkt die subjektive Lebensqualität und die objektiv messbaren medizinischen Probleme nehmen zu.

Unter einzelnen Depressions- und/oder Angstsymptomen leiden 75 bis 80% der COPD-Patienten, zwei Drittel (67%) haben bereits Panikattacken erlebt. Das Vollbild einer depressiven Störung oder einer Angststörung ist bei COPD-Patienten auch häufiger als in der Allgemeinbevölkerung. Mehr als ein Drittel (10 – 35%, je nach Studie) leiden unter einer manifesten Angststörung oder Depression (17 bis 40%). Als typische Risikofaktoren werden die dauerhafte Beeinträchtigung der Lungenfunktion, ein zunehmender Verlust an subjektiver Krankheitskontrolle sowie das Nachlassen des Behandlungserfolgs genannt. Häufige und schwere Exazerbationen verstärken den Leidensdruck.

Der tatsächlich Krankheitsfortschritt scheint dabei kaum eine Rolle zu spielen. Angst und Depression sind in allen Stadien der COPD (Stadium I bis III) mit annähernd der selben Wahrscheinlichkeit anzutreffen. Um so auffälliger ist die Wechselbeziehung zwischen seelischer und körperlicher Gesundheit in der anderen Richtung: Bei hoher Depressionsrate steigt die Morbidität (Exazerbationsfrequenz, Zahl der Krankenhausaufenthalte) und Mortalität (1- und 3-Jahres-Sterblichkeit) rasant. Patienten mit Depression und Angst fällt es ungleich schwerer sich zu motivieren und am Lungensport teilzunehmen. Die psychischen Probleme beeinträchtigen zunächst die Bereitschaft und infolgedessen mittelfristig die Fähigkeit zu körperlichem Engagement und damit zur Stabilisierung der Gesundheitszustands.

Trotz der Häufigkeit und Intensität psychischer Probleme von COPD-Patienten werden diese erstaunlich selten zwischen Ärzten und Patienten angesprochen. So erfährt die Mehrheit der Betroffenen keine wirksame pharmakologische und/oder psychologische Unterstützung. Dabei können oft schon in wenigen verhaltenstherapeutischen Gesprächen erstaunlich gute Verbesserungen bewirken. Durch eine psychologische „Entkatastrophisierung“ von bedrohlichen Gedanken, die Panikattacken, Angst und Depression provoziere, kann letztendlich auch die Atemnot gelindert werden.

 

Online-Umfrage COPD - Auswirkungen auf das psychische Befinden und die Lebensqualität. Studie der Schön-Klinik im Berchtesgardener Land und der Philipps Universität Marburg.

Quellen:

Angst und Depression bei COPD. Pressemitteilung der Lungenärzte im Netz, vom 24.05.2013

Erstellt am 22. September 2013
Zuletzt aktualisiert am 22. September 2013

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