Lungenembolie ist der Infarkt des Sommers

Schwüle verstärkt das Thrombose-Risiko

von Holger Westermann

Nicht nur die Kälte im Winter provoziert Herzattacken, auch im Sommer sollten sich Menschen mit Herz-Kreislauf-Problemen vor extremen Wettereinflüssen schützen. Gerade bei Schwüle schwitzen herzkranke stärker als herzgesunde Menschen. Wird dieser Flüssigkeitsverlust nicht konsequent durch Trinken ausgeglichen, greift der Körper auf schnell verfügbares Wasser zurück: Der Urin wird stärker konzentriert und das Blut dickflüssig. Bei entsprechender Veranlagung und Vorschädigungen, beispielsweise  Krampfadern, können sich in den Venen Thrombosen (Verschlüsse) bilden. Lösen sich diese Blutgerinnsel, werden sie mit dem Blutstrom zum Herzen und in die Lungengefäße befördert und können dort eine lebensbedrohliche Verstopfung – eine Lungenembolie – verursachen.

Lungenembolien zwingen jedes Jahr 100.000 Menschen in deutsche Krankenhäuser, 25.000 bis 30.000 Menschen sterben daran (das Vierfache der Verkehrstoten). Dabei kündigt sich die akute Erkrankung durch gut sichtbare Warnzeichen an. Besenreißer und Krampfadern sind auch für Laien leicht erkennbare Hinweise auf eine gefährliche Venenschwäche. Gut die Hälfte aller Frauen und ein Viertel der Männer leiden darunter.

Bei 50 Prozent der Über-50-Jährigen und 70 Prozent der Über-70-Jährigen verstärken sich die Beschwerden bei Wärmereizen, insbesondere schwülwarmem Wetter. Denn trotz intensivem Schwitzen tritt aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit kaum ein kühlender Verdunstungseffekt ein. Der Schweiss rinnt den Köper hinab ohne die kreislaufbelastende Überhitzung zu lindern.

Durch den Wasserverlust wird das Blut „zähflüssig“. An den Venenklappen, häutigen Ventilen in den Venen, die zusammen mit der Venen-Muskelpumpe den Rückstrom des Lebenssaftes zum Herzen sichern, sammelt sich Blut, das nicht weiter transportiert wird. Es kommt zu Ausbeulungen der erschlaffenden Vene, die als Krampfadern sichtbar werden.

Bei schwülwarmem Wetter sinkt zudem der Blutdruck – und mit ihm die Bewegungsbegeisterung der Patienten. Wer sich körperlich schont, unterstützt die Venen-Muskelpumpe nicht mehr. Auch das fördert den Stau in den Venen. Im Extremfall kann das Blut dort gerinnen (koagulieren) und einen Blutpfropf bilden.

Gefährdet sind vor allem Menschen mit sitzender Tätigkeit, bei der Schreibtischarbeit ebenso wie beim Dauerfernsehen. Vielleicht tragen auch deshalb Frauen und Männer ein gleich großes Risiko, eine potenziell tödliche Lungenembolie zu erleiden, obwohl Frauen doppelt so häufig an einer Venenschwäche leiden wie Männer: Der männliche Lebensstil scheint die Eskalation der Erkrankung zu begünstigen. Dabei kann jeder, beispielsweise durch regelmäßige Bewegung, dem Stau in den Venen entgegen wirken.

Besonders aufpassen sollten wetterempfindliche Menschen mit diagnostizierter Venenschwäche. Sie sollten, wenn schwülwarmes Wetter droht, ihre körperliche Aktivität auf die kühleren Morgenstunden verlegen und ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen.

Quellen:

Robert-Ebadi, H. et al. (2010): Differences in clinical presentation of pulmonary embolism in women and men. Journal of thrombosis and haemostasis, JTH 8(4): 693-698

Tucker, P.; Gilliland, J. (2007): The effect of season and weather on physical activity: A systematic review. Public Health 121(12): 909-922

White, R.H. (2003): The Epidemiology of Venous Thromboembolism. Circulation. 107:I-4 –I-8

Erstellt am 2. Juli 2013
Zuletzt aktualisiert am 2. Juli 2013

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