Nette Idee: Gewitter im Kopf durch das Gewitter vor der Tür

Kopfschmerzen und Migräneattake, provoziert durch Blitz und Donner

von Holger Westermann

Zunehmende oder stark abnehmende Feuchtigkeit der Luft, Temperaturwechsel, Kälte- und Wärmereize, Wetterphänomene, die sich auf die Gesundheit auswirken zeigen zwar oft eine innere Dynamik, sind aber für einige Stunden oder sogar Tage stabil. Eine Forschergruppe an der University of Cincinnati (Ohio, USA) hat nun den Einfluss eines sehr kurzlebigen Wetterphänomens auf die Wahrscheinlichkeit von Kopfschmerzen und Migräneattacken untersucht: Gewitterblitz in der Nachbarschaft.

Für die Studie wurden Patienten, die nach den Kriterien der International Headache Society unter Migräne oder chronischem Kopfschmerz litten, gebeten für drei bis sechs Monate ein detailliertes Schmerztagebuch zu führen. Die Patienten lebten im Einzugsgebiet der University of Cincinnati in den Bundesstaaten Ohio und Missouri. Für jedes Patienten-Protokoll wurde das begleitende Wetter, insbesondere die Blitzaktivität im Umkreis von 40 km (25 amerikanische Meilen), als möglicher Einflussfaktor untersucht. Für eine präzise Analyse der Blitze wurde auch die Polarität (Negativblitz zucken von der Wolkenunterseite zum Boden, positive Blitze steigen vom Boden zu den Wolken auf) und Stärke des Blitzstroms jedes einzelnen Blitzes bestimmt.

In einem mathematischen Modell berechneten die Forscher, wie bedeutsam das Wetter insgesamt für das Auftreten von Migräne und Kopfschmerz war. Denn auch andere Wettererscheinungen rund um eine Gewitterfront könnten für Kopfschmerzen und Migräne (mit-) verantwortlich sein: große Hitze, zunehmende Schwüle, bei Starkregen plötzliche Abkühlung. Diese zusätzlichen Effekte haben die Forscher herausgerechnet und fanden an Tagen mit Blitzeinschlag ein um 31% gesteigertes Risiko für Kopfschmerzen und von 28% für Migräne. Berücksichtigt man nur die neu aufgetretenen Beschwerden, so steigerte sich an Blitztagen die Wahrscheinlichkeit, für Kopfschmerzen um 24% und für Migränesattacken um 23%.

"Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, wie Blitze Kopfschmerzen auslösen könnten", erläutert Geoffrey Martin, einer der Autoren der Studie. So könnten vom Blitz ausgehend Elektromagnetische Wellen (Sferics) durchaus Kopfschmerzen auslösen. Darüber hinaus produziere der Blitzschlag einen Anstieg von Luftschadstoffen wie beispielsweise Ozon oder die Freisetzung von Pilzsporen. Festgestellt wurde jedoch nur ein statistischer Zusammenhang zwischen einerseits Blitzen und andererseits Kopfschmerzen und Migräne. „Allerdings sind die genauen Mechanismen, durch die Blitze, eventuell im Zusammenwirken mit anderen meteorologischen Faktoren, Kopfschmerzen und Migräne auslösen können derzeit noch unbekannt.“ räumt Martin ein. Dr. Klaus Bucher, Medizinmeteorologe aus Freiburg und Autor auf Menschenswetter erinnert in einer ersten Stellungnahme zur Studie an Untersuchung einer Gruppe von Psychologen um Frau Dr. Anne Schienle an der Universität Gießen (Hessen, Deutschland) aus dem Jahr 1996. Damals wurden Menschen, die sich selbst als wetterempfindliche Migränepatienten klassifizierten, in einer Versuchskammer künstlich Sferics, also die bei gewittrigen Entladungen entstehende elektromagnetische Impulsstrahlung, ausgesetzt. Im Gegensatz zur Kontrollgruppe der Nicht-Wetterempfindlichen, zeigten die wetterempfindlichen Migräne-Patienten unter dem Einfluss von Sferics eine nachhaltige Beeinflussung ihrer Hirnströme im Elektroenzephalogramm (EEG). Bei den Patienten der Kontrollgruppe war nur eine kurzfristige Reaktion messbar. Allerdings klagten weder die wetterempfindlichen Patienten noch die Mitglieder der Kontrollgruppe über Veränderungen oder gar Kopfschmerzen - messbare Effekte aber keine spürbaren.

Der neue Ansatz könne möglicherweise die damaligen Ergebnisse aufnehmen und integrieren. Laboreffekte, wie sie in der experimentellen Studie von 1996 sicherlich aufgetreten sind, können weitgehend ausgeschlossen werden. Dafür fehlen die exakten Messdaten am Patienten, allein die Aussage „Ich habe Kopfschmerzen“ oder „Mich quält eine Migräneattacke“ erklären noch nicht wie die Sferics auf den Körper wirken. Dennoch hoffen die amerikanischen Forscher in ihrem Fazit bereits jetzt den betroffenen Patienten helfen zu können, da sie nun einen weiteren potentiellen Auslöser für ihre Beschwerden kennen und sich darauf einstellen können.

Quellen:

Martin, G.V. et al. (2013): Lightning and its association with the frequency of headache in migraineurs: An observational cohort study. Cephalalgia, January 24, 2013 DOI: 10.1177/0333102412474502


Schienle, A. et al. (1996): Atmospheric electromagnetism: individual differences in brain electrical response to simulated sferics. International Journal of Psychophysiology 21(2-3): 177-88.

Erstellt am 30. Januar 2013
Zuletzt aktualisiert am 30. Januar 2013

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