Obwohl Ärzte seit Jahrzehnten Kortison verschreiben, die optimale Dosis kennen sie nicht
Hoch wirksam, aber hochdosiert mit heftigen Nebenwirkungen
Die unerwünschten Wirkungen des entzündungshemmenden Wirkstoffs Prednisolon möglichst gering zu halten, ohne die erwünschte Wirkung bei der Behandlung rheumatoider Arthritis zu beeinträchtigen, ist das Ziel einer aktuellen Studie an der Ruhr-Universität Bochum. Die Frage nach der optimalen Dosis zu Beginn der Therapie ist bei Kortison-Medikamenten besonders wichtig, da sie in den Therapieplänen sowohl als niederschwellige Dauermedikation als auch zur Akutbehandlung, beispielsweise bei plötzlicher Symptomverschlechterung eingesetzt werden.
An der aktuellen Studie CORRA (CORticoidtherapie bei Patienten mit Rheumatoider Arthritis) ist ein Team unter der Leitung von Prof. Dr. Hans Trampisch (Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie) sowie das Rheumazentrum Ruhrgebiet unter der Leitung von Prof. Dr. Jürgen Braun beteiligt. Zudem nehmen an dieser Studie weitere 35 Rheumatologen in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen teil.
Prednisolon und andere Kortisonpräparate werden in der Rheumatherapie eingesetzt, um zu Beginn der Basistherapie den Zeitraum bis zum Wirkeintritt der Immunmodulation mit Methotrexat (MTX) zu überbrücken. So können die Beschwerden der Patienten spürbar gelindert werden. Auch die Zerstörung der entzündeten Gelenke kann so aufgehalten werden.
Wie das körpereigene Hormon Cortison hemmt auch Prednisolon das Immunsystem. Das Medikament hindert Entzündungszellen daran in geschädigtes Gewebe einzuwandern und dort eine überschießende Entzündungsreaktion zu verursachen.
Prednisolon wird nicht nur bei Rheuma, sondern bei einer Vielzahl von entzündlichen Erkrankungen angewendet, beispielsweise bei schweren Infektionskrankheiten oder bei akuten Verschlechterungen der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) und bei schwerem Asthma. Vorbeugend wird Prednisolon zur Behandlung von chronischem Cluster-Kopfschmerz eingesetzt.
Ebenso zahlreich wie die Anwendungsgebiete sind aber auch die Nebenwirkungen, einige könne durchaus auch gefährlich werden. So erhöht sich die Infektanfälligkeit des betroffenen Patienten, bei längerer Einnahme können Schädigungen am Knochenbau (Osteopenie bzw. Osteoporose) auftreten. Auch Diabetes mellitus wird als eine mittelbare Nebenwirkung diskutiert. Andere Nebenwirkungen treten nur während des Therapiezeitraums auf und verschwinden nach dem Absetzen der Medikamente wieder: Gewichtszunahme, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Schwindelanfälle. Deshalb starten die meisten Rheumatologen mit relativ geringen Tagesdosen. Einige verzichten sogar auf die Kortisonbegleitung der MTX-Therapie, um das Risiko von Nebenwirkungen zu vermeiden. Sie lindern stattdessen die Beschwerden mit einfachen Schmerzmedikamenten bis MTX zu wirken beginnt.
Die CORRA-Studie soll die Wissenslücke schließen und den Rheumatologen konkrete Tagesdosen für eine wirksame und schonende Prednisolon-Therapie empfehlen. Dafür werden drei Patientengruppen zu je 150 Personen mit täglich 60 mg oder 10 mg Prednisolon oder Placebo (Pille ohne Wirkstoff) behandelt. Die Dosis wird innerhalb von 12 Wochen schrittweise reduziert, danach endet die Prednisolon-Gabe. Danach werden die Patienten eingehend auf Wirkung und Nebenwirkungen untersucht, zunächst monatlich, danach mehrmonatlich über insgesamt ein Jahr. Den Abschluss des Forschungsprojekts bildet eine umfassende Röntgenuntersuchung aller Patienten, ob und in welchen Umfang Gelenkschäden aufgetreten sind. So wird sich zeigen, welche Prednisolon-Dosierung zur Unterstützung der Rheuma-Basistherapie notwendig ist - oder, ob zukünftig auf die vorsorgliche Gabe von Kortisonmedikamenten verzichtet werden kann.
Handelsnamen von Medikamenten mit Prednisolon, zugelassen in D = Deutschland, A = Österreich, CH = Schweiz
Monopräparate:
Aprednislon (A), Decortin H (D), Dermosolon (D), Dontisolon (D), Hefasolon (D), Hexacorton (CH), Infectocortikrupp (D), Inflanefran (D), Kuehlprednon (A), Linola H (D), Lygal Tinktur (D), Prednisolut (D), Premandol (CH), Solu-Decortin (D), Solu-Dacortin (A), Spiricort (CH), Ultracortenol (D, A, CH) sowie zahlreiche Generika (D, A, CH)
Kombinationspräparate:
Alpicort (D, A, CH), Aquapred (D), Bismolan-H Corti (D), Blephamide (D, CH), Imacort (CH), Imazol comp (D), Inflanegent (D), Klismacort (D), Leioderm P (D), Linoladiol H (D), Locaseptil (CH), Mycinopred (CH), Oxytetracyclin-Prednisolon (D), Scheriproct (A, CH)
Quellen: Auf der Suche nach optimaler Dosis, Wirken ohne gravierende Nebenwirkungen - RUB-Biometriker wollen Arthritismedikation verbessern. Pressemitteilung der Rhur-Universität Bochum, Nr. 366 vom 31.10.2012
Erstellt am 20. November 2012
Zuletzt aktualisiert am 20. November 2012

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