Wetter

Ein Sommer wie er früher einmal war …

von Holger Westermann

Die Menschen in Mitteleuropa sind es nicht mehr gewohnt, in Mai und Juni so wenige Sommertage mit zumindest 25°C zu erleben. Doch das aktuelle Wetter, auch der vielerorts anhaltende Regen, war dereinst „normal“. Lediglich die letzten Jahre verwöhnten mit anhaltender Wärme zum Ausklang des Frühlings und zu Beginn der Sommersaison.

Das alte Klimamittel (1961-1990), das auch heute noch gern heran gezogen wird, wenn es gilt maximale Wärmeabweichungen zu betonen, lag sogar noch unter dem aktuellen Niveau von 16°C Durchschnittstemperatur; das neue Klimamittel (1991-2020) wird derzeit nur marginal unterschritten. Verantwortlich dafür ist einerseits die immer wieder südwärts transportierte Polarluft, andererseits auch das meteorologisch „ruhige“ Wetter mit schwachen Luftdruckgegensätzen und infolgedessen starker nächtlicher Wärmeabstrahlung. So kommt es derzeit in Tallagen, wo die schwere Kaltluft zusammenströmt, sogar noch im Juni zu in Bodennähe zu leichtem Luftfrost.

Einerseits ist eine Kaltwetterphase zum Ende der ersten Junidekade (um den 11. Juni) typisch für die Jahreszeit. Man spricht von der „Schafskälte“, die von Schäfern abgewartet werden muss, bevor die Schafe erstmals im Jahr geschoren werden, um sie nicht nackt der Kälte auszusetzen und ihr Leben zu gefährden. Andererseits wird das Wetter hierzulande bis kurz vor der Sommersonnenwende, also dem astronomischen Sommerbeginn, noch spürbar von den Resten winterlicher Kaltluft im Polarwirbel bestimmt. Dieses Kaltluftreservoir kann immer wieder eisige Portionen südwärts verlagern. Auf dem Weg über den Nordatlantik, die Nord- oder Ostsee erwärmen sich zur aktuellen Jahres diese Luftmassen deutlich, bleiben aber spürbar kühlend und wenig sommerlich. Allein die inzwischen intensive Strahlungswärme der Sonne auf Boden, Häuser und Menschen lindert das Kältegefühl. Im Schatten schwindet der angenehme Effekt. Das ist noch keine Sommerluft.

Dafür bedarf es einer kräftigen Südströmung wie sie die Menschen hierzulande heuer (in diesem Jahr) bereits im Frühling mehrfach erlebten. In der Presse wurde dann „Blutregen“ oder Saharastaub angekündigt. Der feine Sandstaub färbte den Himmel gelblich trüb und zauberte kräftiges Abendrot. Zudem verhinderte der Staub die Wärmeabstrahlung während der jahreszeitlich langwährenden Dunkelheit - nicht nur die Tage, auch die Nächte waren ungewöhnlich warm. In der Gesamtschau addierten sich die Effekte zu neuen Rekordwerten.

Doch derzeit dominiert hierzulande für die Jahreszeit sehr frische Witterung. Immer wieder ziehen Regenschauer, mancherorts auch Gewitter über die Landschaft. Warmluftepisoden lassen den Thermometerwert zwischenzeitlich auf 20 bis 25°C steigen; durch die intensive Strahlungswärme beträgt die gefühlte Temperatur im Sonnenschein dann bis zu 30°C. Für wetterempfindliche Menschen ist dieser stete Wetterwechsel eine spürbare Belastung. Unter Wärmeeinfluß sinkt der Blutdruck sowie die Motivation und mentale Leistungsfähigkeit; Migränepatienten müssen mit einem höheren Risiko für Schmerzattacken rechnen. Bei nasskaltem Schauerwetter steigt der Blutdruck und damit das Infarktrisiko; auch Menschen mit Arthroseschmerzen oder Neigung zu Muskelverkrampfungen müssen mit höherer Wahrscheinlichkeit für zunehmende Symptombelastung leben.

Trotz der aktuell zurückhaltenden Wärmeentwicklung sind vereinzelt auch heiße Tage mit mehr als 30°C Thermometerwert möglich - nur eine über mehrere Tage andauernde trockenen warme Periode ist nicht in Sicht. Die besondere Herausforderung dieses „ganz normalen Sommers“ für die Gesundheit wetterempfindlicher Menschen bleibt vorerst erhalten.

Quellen:

MSc.-Met. Sebastian Schappert: Wenn die Schafe frieren? Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 12.06.2024

Erstellt am 12. Juni 2024
Zuletzt aktualisiert am 12. Juni 2024

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