Rhythmusstörungen sind nicht gleichmäßig über den Tag und über das Jahr verteilt

Herzen sind zumeist am Abend und bei Witterungswechsel taktlos

von Holger Westermann

Herzrhythmusstörungen (Arrhythmien), Herzstolpern (Palpitationen) oder Herzrasen (Tachykardie) sind lästig oder eine ernsthafte Eskalation etablierter Herzerkrankungen. Sie können glimpflich verlaufen, dann klingt das Herzklopfen „bis in den Hals“ schnell wieder ab. Sie können aber auch von Herzschmerzen (Angina pectoris) begleitet sein und länger andauern. Offensichtlich bestimmen Tages- und Jahreszeit wie wahrscheinlich Herzrhythmusstörungen auftreten.

Der Herzschlag gerät häufiger ins Stolpern als es den meisten Menschen auffällt, zumeist bemerken sie es kaum. Doch bei einem vorgeschädigten Herz-Kreislauf-System können die Folgen durchaus dramatisch sein: Desorientierung, Schwindel, Brustschmerzen, Sprach- und Sehstörungen, Krämpfe, Brustenge mit Atemnot und sogar Herzstillstand können auftreten.

Ausgelöst werden diese Störungen durch äußere Einflüsse, starke körperliche oder emotionale Belastungsänderung, oder durch innere Ursachen wie mangelnde Sauerstoffversorgung der Herzzellen oder eine fehlerhafte Stimulation durch den Sinusknoten (Nodus sinuatrialis, Bereich spezieller Taktgeber-Muskelzellen am Herz). Oft sind Erkrankungen von Herz und Kreislauf verantwortlich dafür, wenn Herzrhythmusstörungen häufiger und für die Betroffenen deutlich spürbar auftreten:

Oft sind erworbene, seltener auch angeborene Herzerkrankungen die Ursache. Durch eine mangelnde Sauerstoffversorgung sind die Herzzellen in ihrer Tätigkeit gestört, was zu Rhythmusstörungen führen kann. Auch Narben im Herzmuskel (zum Beispiel nach einem Herzinfarkt) können die Ausbreitung der elektrischen Impulse stören. Folgende Krankheiten und Faktoren sind häufige Ursachen von Herzrhythmusstörungen:

  • Koronare Herzerkrankung (KHK)
  • Herzinfarkt (aufgrund der Narben im Herzgewebe)
  • Herzschwäche (Herzinsuffizienz)
  • Herzklappenfehler
  • Herzmuskelentzündung (Myokarditis)
  • Bluthochdruck (Hypertonie)
  • Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose)

aber auch

  • Medikamente (beispielsweise Digitalis)
  • Koffein, Drogen (beispielsweise Kokain oder Amphetamine)

Ein Forscherteam aus Medizinern (Medizinische Klinik und Poliklinik I, Klinikum der Universität München, Deutschland) und Ingenieuren (Medtronic GmbH, Meerbusch, Deutschland) analysierten Daten von 1.534 Patienten, die aufgrund massiv aufgetretener Herzrhythmusstörungen einen Herzschrittmacher eingepflanzt bekommen hatten. Ausgewertet wurden rund 4.900 Interventionen der Geräte auf den Herzschlag der Patienten (beispielsweise bei Herzrasen und Herzkammerflimmern).

Zu erwarten wäre, dass Herzrhythmusstörungen gleichmäßig über den Tag und das Jahr verteilt auftreten, da auch die Intensität der Symptome dieser Basiserkrankungen sich – durchschnittlich über alle Patienten betrachtet – keine bevorzugte Uhrzeit oder Jahreszeit kennen. Doch eine Studie des Forscherteams um Prof. Dr. med. Stefan Kääb vom Klinikum der Universität München fand eine deutliche Konzentration der Ereignisse, sowohl im Tagesverlauf wie auch im Wechsel der Jahreszeiten.

Besonders auffällig war die starke Häufung abends gegen 20 Uhr. Die Forscher vermuten, dass dafür tageszeitlichen Schwankungen im Hormonspiegel der Patienten verantwortlich sein könnte. Oftmals nehmen chronisch kranke Menschen ihre Medikamente (die auch als mögliche Arrhythmie-Auslöser gelten) pingelig pünktlich ein; auch dies könnte nach Meinung der Forscher die Konzentration der Herzrhythmusstörungen am Abend erklären.

Über das Jahr gesehen ballten sich solche Episoden im April und September. Wechselt die Witterung im Frühling von nasskaltem Winter auf trocken und warmes Sommerwetter oder im Herbst in entgegengesetzter Richtung, häufen sich die Arrhythmie-Episoden. Wobei die April-Spitze den Peak im September deutlich übertrifft. Die Forscher sehen eine mögliche Korrelation mit den Erkältungswellen, die auch Herzpatienten plagen. Die körperliche Aktivität (oder Passivität) der Patienten spielt für die Wahrscheinlichkeit eine Episode mit Herzrhythmusstörung zu erleiden keine Rolle.

Eine alternative Erklärung (durch die Menschenswetter-Redaktion) wäre die oft ausgeprägte Wetterempfindlichkeit von Herzpatienten. Dabei wirken extreme Kälte und nasskaltes Wetter besonders belastend. Relevant für den Einfluss auf Herz und Kreislauf ist dabei nicht der Thermometerwert, sondern die gefühlte Temperatur. Diese berücksichtigt auch Luftfeuchte und Windgeschwindigkeit sowie die Strahlungswärme der Sonne. Bei Regen und Wind wird dem Körper sehr viel mehr Wärme entzogen als bei Sonnenschein im Windschatten, auch wenn die selbe Lufttemperatur gemessen wird. Bei hohem Wärmeverlust ziehen sich die Adern zusammen und der Blutdruck steigt. Ein rascher Wechsel der gefühlten Temperatur provoziert nicht nur Frösteln, sondern kann auch Herzrhythmusstörungen auslösen. Bei typisch wechselhaftem Aprilwetter häufen sich überraschende Kälteempfindungen: Sonnigen 20°C zur Mittagszeit folgt ein Frühlingsgewitter mit Hagel und lässt die gefühlte Temperatur auf 10°C abstürzen. Während im Winter zumeist angemessen wärmende Kleidung getragen wird, kann der Kältereiz im April schon auf luftige Garderobe treffen und unmittelbar wirksam werden. Es erstaunt nicht, wenn sich dann Arrhythmie-Episoden häufen. Bis zum Abend erreicht die kühle und feuchte Luft auch die Wohnzimmer. Bleibt die absolute Lufttemperatur im moderaten Bereich (über 15°C) springt in vielen Häusern die Heizung nicht mehr an (außentemperaturgeführte Regelung), es wird unangenehm klamm und die Menschen frösteln.

Quellen:

Martens, E. et al. (2014): Daytime and season as predictors for cardiac rhythm disturbances - a multicentre analysis. Clinical Research in Cardiology 103(1) Supplement 1, V1208. Sonderband mit Kongressbeiträgen zur 80. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie vom 23.-26.04. 2014 in Mannheim. DOI 10.1007/s00392-014-1100-9

Martens, E. (2014): Tages- und Jahreszeit als Risikofaktor für ventrikuläre Rhythmusstörungen – eine Multicenterstudie. Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung e.V., online veröffentlicht am 25.04. 2014

Erstellt am 28. April 2014
Zuletzt aktualisiert am 28. April 2014

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