Wetter

Wäschetrocknen an der frischen Luft

von Holger Westermann

Wird es im Frühling bei Sonnenschein wieder wärmer, kann man abends länger draußen in der Sonne dösen, länger draußen Sport treiben und - länger draußen Wäsche trocknen. Zwar fürchten Pollenallergiker die Kontamination mit Blütenstaub, andere aber schätzen den frischen Duft des Frühlings in Wäsche und Kleidung (nicht zu verwechseln mit „Frühlingsduft“ oder „Aprilfrische“ der chemischen Industrie). Doch bei welchem Wetter wird die Wäsche besonders schnell trocken?

Für Generationen war der Landbevölkerung bekannt, dass Wäsche nicht nur bei Sonnenschein auf der Leine getrocknet werden kann. Auch damals war die meteorologische Physik des Wäschetrocknens nur wenigen geläufig – doch das wird durch eine solide Alltagserfahrung weitgehend kompensiert.

Stadtbewohnern stellt sich das Problem erst seit wenigen Jahrzehnten, also kaum einer Generation. Erst jetzt ist auch die Stadtluft hinreichend sauber, dass die Leinentrocknung frisch gewaschener Wäsche nicht zwingend wieder zur Verschmutzung durch Ruß und Staub führt. Stein und Berg des Sysiphos, war den städtischen Waschfrauen feuchte Wäsche und Luftverschmutzung aus Kohlefeuerung und urbaner Industrie.

Doch unter welchen Wetterbedingungen trocknet die Wäsche wirklich? Das ist nur mittelbar von der Lufttemperatur abhängig. Bei +20 °C verdunsten die in der Wäsche enthaltenen Wassertröpfchen nach und nach. Für die Verdunstung, also für den Übergang von Wasser in Wasserdampf, wird Energie benötigt. Diese wird der Umgebungsluft entzogen, wodurch sie sich messbar abkühlt. Physiker, Meteorologen und Mediziner sprechen von Verdunstungskälte. Der selbe Effekt kühlt auch den schwitzenden Körper und ermöglicht so die Regulation der Körpertemperatur in warmer Umgebung. Der Schweiß verdunstet, dabei wird die Hautoberfläche gekühlt, damit sinkt auch die Temperatur des Blutes in den Adern unter der Haut. So wird über das zirkulierende Blut dem Körper Wärme entzogen. Je wärmer die Umgebungsluft ist, um so intensiver wirkt der Kühlungseffekt – sofern ausreichend Feuchtigkeit (Schweiß) auf der Haut verdunsten kann.

Beim Wäschetrocknen ist der gewünschte Effekt nicht die Kühlung, sondern das Verdunsten des Wassers. Je höher die Temperatur der Umgebungsluft ist, desto größer ist auch ihre Energie, die der nassen Wäsche hinzugefügt wird, sie trocknet dadurch schneller. Mit Windunterstützung wird die Verdunstung noch zusätzlich beschleunigt.

Doch so wie die Kühlung des Körpers bei Schwüle nur noch eingeschränkt funktioniert (der Schweiß rinnt die Haut hinab und verdunstet nicht), dann trocknet auch die Wäsche nicht zuverlässig. Es ist die relative Luftfeuchte, die maßgeblich bestimmt, ob der menschliche Körper hinreichend gekühlt oder die Wäsche zügig getrocknet wird. Sie beschreibt die aktuelle Wasserdampfsättigung der Luft (in %) im Verhältnis zur – unter den aktuellen meteorologischen Bedingungen (Luftdruck, Temperatur) – maximal möglichen Wasserdampfmenge. Bei einer relativen Luftfeuchte von 0 % befindet sich kein Wasserdampf in der Luft. Bei 100 % kann die Luft keinen weiteren Wasserdampf mehr aufnehmen, sie ist mit Feuchte gesättigt.

In Gegenwart von Staub (Kondensationtionskeinem) kondensiert dann der überschüssige Wasserdampf und es bilden sich Wolken oder Nebel. Im jedem Fall kann die Luft dann keine weiteren Wassermoleküle mehr aufnehmen, werden aus dem Schweiß noch aus der feuchten Wäsche.

Je größer die relative Luftfeuchte, desto weniger Wasserdampf kann von der Umgebungsluft aufgenommen werden und desto langsamer trocknet die Wäsche. Anders ausgedrückt: Bei einer relativen Luftfeuchte von 100 %, also z.B. bei Regen oder Nebel, wird die Wäsche nicht trocknen, egal wie lang sie auf der Leine hängt und wie warm die Umgebungsluft ist.

Bei Frost ist die Umgebungsluft sehr kalt aber auch sehr trocken. Dies genügt um feuchte Wäsche zu trocknen (kühlen von Hautoberflächen ist dann keine sinnvolle Aufgabe mehr). Die Feuchtigkeit geht jedoch nicht mehr als Wassertröpfchen in die Umgebungsluft über, sondern gefriert in der Wäsche. Auch diese bretthart gefrorene Eiswäsche wird sukzessive trocken, denn aus dem Eis gehen einzelne Wassermoleküle in die Luft über. Physiker, Chemiker und Meteorologen sprechen von Sublimation, wenn feste Stoffe (Eis) direkt in gasförmige (Wasserdampf) übergehen, ohne zwischenzeitlich flüssig (Wasser) zu sein.

Die Wäsche ist aufgrund der Sublimationskälte (analog zur Verdunstungskälte) kälter als bei einer "warmen" Trocknung, aber ebenfalls trocken. Technisch wird dieser Effekt bei der Gefriertrocknung (Lyophilisierung, Lyophilisation oder Sublimationstrocknung) genutzt, um Speisen oder Getränken, die als Instantprodukte vermarktet werden sollen (beispielsweise Instant-Kaffee), Wasser zu entziehen.

Ob Wäsche getrocknet werden soll oder der überhitzte Körper gekühlt werden muss, relevant für den Erfolg ist die relative Luftfeuchte. Die Temperatur ist nur mittelbar wichtig, denn bei Kälte kann die Luft weniger Feuchte aufnehmen als bei Wärme. Nur deshalb trocknet warme Luft zumeist besser als kalte.

Quellen:

Dipl.-Met. Tobias Reinartz: Wäschetrocknen aus wissenschaftlicher Sicht. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 11.04.2014

Erstellt am 20. April 2014
Zuletzt aktualisiert am 20. April 2014

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